Carina Fauser

“Ich möchte die Welt wieder spürbar machen. Uns von ihr berühren lassen, statt nur auf ihr zu leben.”

Carina Fauser, Co-Founder von Tealshift, erzählt uns in einem ganz persönlichen Gespräch von ihrer Sicht auf die Welt, ihrem inneren Antrieb Tealshift zu gründen und ihrer Vision von Unternehmertum und Wirtschaft.

Ich treffe Carina in einem kleinen, familiären Co-Workingspace in München. Acht Arbeitsplätze, ein kleiner aber wunderschöner Ess- und Wohnbereich, Küche mit Blick in den Innenhof. Genauso locker und entspannt wie die Atmosphäre sitzt mir diese Frau gegenüber, die mit ihrem Unternehmen seit einiger Zeit so polarisiert und fasziniert wie kaum ein anderes.

Carina, du hast 2024 mit Stefan zusammen Tealshift gegründet. Warum?

(Carina lacht)

Weil ich die Welt verändern möchte. Klingt total größenwahnsinnig, ich weiß. Aber das ist mein Antrieb. Ich möchte, dass meine Töchter sich in 30 Jahren frei für oder gegen eigene Kinder entscheiden können und ihnen diese Entscheidung nicht abgenommen wird durch einen zerstörten Planeten. Und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir das schaffen können. Wenn wir uns wieder einlassen auf das, was wir sind. Berührbare, sensible, emphatische und intelligente Wesen, die einen wertvollen Platz im Ökosystem dieser Erde haben. Und nicht diese harte, degenerative Version von uns, die wir da gerade an den Tag legen und die zu der Zerstörung führt, deren Konsequenzen wir gerade immer mehr erleben. Tealshift ist der Ort, an dem wir diese Berührbarkeit wieder aufleben lassen und sinnvoll in den Kontext Unternehmertum einbinden. Zum Beispiel über Wissensformate, die einen ganzheitlichen Blick auf Organisationen und deren Gestaltung rund um regenerative Produkte werfen. Und dabei Ideen in den Raum stellen, wie erfolgreiches Wirtschaften aussehen kann, das nicht zerstört, sondern regeneriert. Über Produkte, aber auch die Art und Weise der Zusammenarbeit.

Das klingt ja fast nach Aktivismus und gar nicht so sehr nach Beratung. Würdest du dich persönlich als Aktivistin beschreiben?

Teile von mir sind das auf jeden Fall, wenn wir Aktivismus als Rebellion gegen die aktuell geltende, degenerative Norm und für eine bessere Zukunft definieren. Allerdings dient der Aktivismus in seiner Funktion ja überwiegend dem Aufzeigen von Missständen und dem Erzeugen von Druck. Das ist eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft, der ich mit Tealshift aber noch etwas hinzufügen möchte. Nämlich den Sog durch Inspiration. Indem ich Wissen zugänglich mache, die aktuelle Realität einordne und einen Vorschlag für die Zukunft mache.

Ich höre da eine sehr tiefen Überzeugung, die sich vermutlich nicht über Nacht entwickelt. Warst du schon immer so, war das schon immer dein Ziel?

Nein, so klar hatte ich das nicht schon immer, sonst hätte ich vermutlich schon nach dem Studium gegründet. Davon war ich aber damals Lichtjahre entfernt. Ich bin erst mal in einen Großkonzern in der Automobilbranche. Das waren sehr lehrreiche Jahre mit vielen großartigen Menschen. Aber mit fiel es schon immer schwer nur meinen Aufgabenbereich zu sehen und alles drumherum einfach hinzunehmen. Ich war im Kopf ständig in den ganzheitlichen Zusammenhängen unterwegs, was dich als Angestellte unter Tausenden und mit keinerlei Handlungsspielraum über die eigene Rolle hinaus irgendwann fertig macht. Und dein Umfeld übrigens auch. Dadurch entstand dann der Wechsel in die kleine Tochter, die sich gerade auf dem Weg in die Selbstorganisation befand. Und dort dann in die Organisationsentwicklung. Weil das die Rolle war, von der ich mir am meisten Freiraum für diesen Drang der ganzheitlichen Gestaltung erhofft hatte. 

Irgendwann sagte mal ein Teilnehmer zu mir: Carina, the Natural. Das hat meine Welt wie so ein Stück verschoben - oder mich da drin.

Carina Fauser, Gründerin von Tealshift

Das hat sich aber offensichtlich nicht erfüllt, sonst säßen wir heute nicht hier. Was ist passiert?

Das war eine Kombination unterschiedlicher Faktoren. Zum einen war mir der Gestaltungsfreiraum in der angestellten Organisationsentwicklung zu klein. Das hat für keinen so richtig gut funktioniert. Dazu kam mein sich über Jahre immer mehr entwickeltes Bewusstsein für unseren Planeten. Verstärkt dann noch durch die Geburt meiner beiden Kinder. Da war die Automobilbranche irgendwann nicht mehr der richtige Ort. Und dazu kam eine Ausbildung, die rückblickend mich wie so an meinen Platz geschubst hat. Das war die Ausbildung zur integralen Organisationsentwicklerin an der imu Augsburg. Danach war irgendwie klar, dass es etwas anderes braucht für mich und dann hat sich langsam alles zu dem entwickelt, worüber wir heute reden.

Was war an dieser Ausbildung so besonders?

(Carina lacht) Einfach alles. 

Ich habe mich während meiner ganzen Zeit in der Anstellung irgendwie seltsam fehl am Platz gefühlt. Ich konnte das aber nie so richtig ausdrücken und habe das dann einfach hingenommen. Ich habe zum Beispiel ganz viel aus dem Bauch heraus für mich entschieden und gemacht, weil sich das halt richtig angefühlt hat. Und bin damit auch in meinem kleinen Rollenkosmos sehr gut gefahren. Das hat dann aber irgendwann zu Problemen geführt, als meine Rolle Auswirkungen auf die ganze Organisation hatte. Erzähl’ mal in einem datengetriebenen, rein kognitiv arbeitenden Unternehmen, dass du die Organisation spürst und deshalb Weg A sinnvoller ist als Weg B. Völlig absurd.
In der Ausbildung hat das aber auf einmal einen Platz bekommen und sogar Worte. Das war für mich eine richtig krasse Erfahrung. Ich bin also gar nicht komisch, ich kann einfach was, was insbesondere in der heutigen Komplexität super wertvoll ist. Irgendwann sagte mal ein Teilnehmer zu mir: Carina, the Natural. Bezogen auf die Fähigkeit Dinge mitzubekommen, die weit über Visuelles oder Verbales hinaus gehen. Das hat meine Welt wie so ein Stück verschoben - oder mich da drin.

Dazu war ich auf einmal über einen längeren Zeitraum mit Menschen zusammen, für die Selbständigkeit ganz normal war. Für mich war Selbstständigkeit bis dahin undenkbar. Das größte Risiko, das man eingehen kann. Für diese Menschen nicht. Denen ging es damit super. Und einer dieser Menschen war Stefan.

Und die dritte Komponente war sicherlich der integrale Ansatz für die Organisationsentwicklung. Weil es auf einmal allen Methoden, die es am Markt gibt, einen sinnvollen Platz gegeben hat. Und gleichzeitig eine Erklärung, warum manche Dinge auch so schief gegangen sind. Bei uns im Unternehmen aber auch generell am Markt. Das war ein Aha Erlebnis nach dem anderen.

Und dann war auf einmal Tealshift als Idee da?

Nein, das war auch ein Prozess. Der damit startete, dass Stefan und ich der Meinung waren, dass dieses ganze Wissen zu wertvoll ist, um es „nur“ in einer Ausbildung zu lassen. Wir wollten das zugänglich machen und haben beschlossen ein Buch zu schreiben. Das steht zur Hälfte, geriet dann aber ins Stocken. Zum einen, weil ich für mich merkte, dass mir Erfahrungswerte aus der Welt der Gründer:innen und der nachhaltig - regenerativen Unternehmen fehlten, zum anderen, weil das Schreiben an sich kein Geld einbringt. Und so haben sich die wöchentlichen Austausche mit Stefan Schritt für Schritt verschoben hin zu der Idee von Tealshift.

Und das Buch?

Das Buch ist weiterhin geplant. Da ist gerade einfach die Pause Taste gedrückt und irgendwann kommt der Moment, wo ich morgens aufwache uns weiß, dass ich mich wieder ans Schreiben setze. Und dann wird weitergeschrieben.

Zum Abschluss eine letzte Frage: Was ist für dich die perfekte Unternehmerin?

Die gibt es nicht. Das würde ja bedeuten, dass diese Person Milliarden von Erwartungen, die dazu noch widersprüchlich sind, gleichzeitig erfüllt. Jeder Mensch und jedes System erwartet ja etwas anderes von der Person, abhängig davon wo sich Mensch oder System gerade befinden. Ich würde eher sagen, es gibt für mich ein Bild von Unternehmertum, das unsere Zeit gerade braucht. Authentisch, intuitiv, verbunden und evolutionär. 

Das drückt sich durch unterschiedliche Komponenten aus. Zum Beispiel durch eine situativ flexible Priorisierung von Planet, Mensch und Profit. Nicht nur das eine oder das andere, sondern alles. Und das auch nicht aus einem Müssen heraus, sondern einem klaren Können und Wollen. 

Dazu hat diese Person ein ausgeprägtes Gespür dafür, wem oder was das Unternehmen dient und was die Organisation als Ganzes dafür gerade braucht. Egal ob im Bereich Kultur, Struktur oder die darin verankerten Menschen. Das wiederum gelingt aber nur, wenn ich eine ehrliche Offenheit gegenüber allem besitze, was es vielleicht schon gibt oder neu entsteht. Soll heißen, dass ich zum Beispiel hierarchische Strukturen nicht ablehne, sondern die daraus passenden Elemente nutze. Oder dem Geld als notwendige Ressource, dem monetären Wachstum als notwendigem Prozess offen gegenüber stehe und die damit verbundene Abhängigkeit annehme, ohne sie zum Zwang zu machen.

Das braucht schlussendlich ganz viel Stabilität und Klarheit vor allem im Innen. Ich muss mich mitbekommen und mich mit dem verbinden können, was in mir und um mich herum passiert. Um dann aus dieser ganzen Wahrnehmung heraus mein Unternehmen führen. Sonst gehst du aus meiner Sicht in der heutigen und zukünftigen Komplexität unter.

Was für eine Interview. Ich bin beeindruckt von dieser Energie und dieser Klarheit, die mir da gegenüber saß. Und es hat mich an der ein oder anderen Stelle zu Nachdenken angeregt. Über uns Menschen, über die Zukunft und die Frage, wieviel Wahrheit in dem steckt, was ich selbst für Wahrheit halte. Vor allem aber hat es mir Hoffnung gemacht. Hoffnung auf eine andere, eine bessere Zukunft.

“Mit Freiheit und Wohlstand geht Verantwortung einher. Es ist an der Zeit dieser Verantwortung gerecht zu werden.”

Carina Fauser, Gründerin von Tealshift